
Wissensnetzwerke
Ein wichtiger Aspekt im Agile Leadership sind Wissensnetzwerke im Unternehmen. Immer gibt es sie in informeller Form, manchmal werden sie von Firmen auch explizit gefördert. Wissen und Erfahrungen sind viel an Mitarbeiter gebunden. Agile Methoden helfen dabei, den Wissensaustausch in den agilen Teams und darüber hinaus zu fördern. Meine Kontakte aus dem Wissensmanagement sind oft ganz erstaunt, mit welchen Methoden IT-Engineers in ihren Jobs für effiziente Wissensverteilung sorgen.
Agile Arbeitsweisen helfen im Nebeneffekt beim individuellen Wissenserwerb und zur Erweiterung des Wissens der Organisation. Agile Frameworks funktionieren gut für den Wissensaustausch innerhalb von Teams. Teamübergreifend bieten sie wenig Unterstützung.
Code Reviews
Code Reviews sind eine ausgezeichnete Methode um Wissen zu teilen. Sie werden von den meisten agilen Teams aktiv eingefordert, darum müsst ihr euch meist nicht aktiv kümmern. Gelegentlich kommen Fragen, ob Reviews auf Draft-Code sinnvoll und gewünscht sind oder ob Review-Kommentare den richtigen Tonfall haben. Das kann nur das Team entscheiden: es sind gute Themen, um sie in der Retrospektive oder einem anderen Teaemmeeting zu besprechen und zu beschließen. Wenn es noch keine Code Reviews gibt, stellt euch auf einen anstrengenden Weg ein, bis alle sie akzeptiert haben.
Pair Programmings
Pair Programmings sind nicht ganz so verbreitet. Sie sind ausgezeichnet dazu geeignet, fachliche Kompetenzen im Team und teamübergreifend zu teilen und soziale Kompetenzen zu entwickeln.
- Pair Programmings helfen neuen Teammitgliedern im Onboarding bei der Orientierung in einer umfangreichen Codebase. Das neue Teammitglied lernt, wie man es in diesem Team “richtig” macht.
- Pair Programmings machen sehr komplexe Herausforderungen überschaubarer. Gemeinsam arbeiten bedeutet Austausch. Probleme und Lösungsansätze werden besprochen, das macht sie begreifbar. Der nachfolgende Code Review braucht deutlich weniger Zeit.
- Fragt gelegentlich, ob Aufgaben für Pair Programming geeignet sind, zum Beispiel wenn eine Story komplex erscheint oder wenn jemand neu in das agile Team eingearbeitet wird. Gut funktionierende agile Teams markieren in der Sprintplanung die User Stories fürs Pair Programming.
- Seid nicht zu strikt im Verständnis, wie ein Pair Programming ablaufen sollte. Man muss es nicht overengineeren, um einen Effekt zu erzielen.
Habt ihr den Eindruck, ein Teammitglied ist stecken geblieben oder hat sich in einer Story verrannt?
- Fragt aktiv “Wer kann helfen?”
- Oft ist es möglich, dass das Team die Arbeit ein bisschen anders sortiert und ein anderes Teammitglied als Unterstützung verfügbar ist.
- Manchmal hilft ein wenig sanfter Druck - auch der Senior ist daran interessiert, den Junior nicht zu frustriert werden zu lassen.
Agile Estimation
Refinements / Groomings / Agile Estimations sind für mich vor allem Methoden zum Wissensaustausch. Ich versuche, die Fokussierung auf eine Zahl oder T-Shirt-Größe zu vermeiden.
- In der Besprechung des Inhaltes der Story erweitert das agile Team sein Wissen über das Produkt. Unterschiedliche Gewerke (Frontend, Backend, QA, UX, …) nehmen unbewusst, sozusagen “osmotisch” Grundwissen über die anderen Arbeit der anderen Teammitglieder auf und verstehen das Produkt immer besser.
- Vermeidet Shortcuts wie “im Zweifel die höhere Schätzung”. In der Diskussion über weit auseinander liegende Schätzwerte haben sich oft schon deutliche Vereinfachungen der Story ergeben oder, in die andere Richtung, Nebeneffekte gezeigt, die die Komplexität erhöhen.
- Das eigentliche Schätzergebnis ist dadurch oft nur ein Nebeneffekt.
Explizites, dokumentiertes Wissen
Macht euch das Wissen zunutze, das während der täglichen Arbeit ohnehin entsteht! Viel wertvolles, explizites Wissen ist bereits dokumentiert – es steckt unter anderem in
- User Stories und Tickets
- Architektur-Design-Records
- Confluence-Seiten
- Feature- und technischen Konzepten
- Meeting-Protokollen
- Testdokumentationen
- API-Beschreibungen
- Release-Notes und sogar in Slack-Threads.
Diese Quellen bilden einen ständig wachsenden Schatz an Erfahrungen und Lösungen, der oft verstreut und wenig zugänglich ist.
Moderne Large Language Models können dieses Wissen mit Hilfe von Retrieval-Augmented Generation (RAG) gezielt nutzbar machen, indem sie relevante Informationen kontextabhängig abrufen und weiterverarbeiten.
So lassen sich viele Fragen schneller beantworten und wiederkehrende Herausforderungen effizienter lösen – ohne das Rad immer wieder neu erfinden zu müssen.
Wissen im Code – ein Fall für Coding-LLMs
Ein besonderer Schatz an Wissen steckt direkt im Code selbst: Aufbau, Patterns, eingesetzte Bibliotheken und Lösungen für Spezialfälle sagen viel über die gelebte Praxis und Architektur aus.
Für größere Organisationen kann es daher sinnvoll sein, über ein eigenes, firmeninternes Coding-LLM nachzudenken.
Die eigene Codebase wird dabei zur Trainingsgrundlage – etwa für maßgeschneiderte Code-Vervollständigung, automatisierte Refaktorierungen, individuellen Support für Legacy-Systeme oder kontextbezogene Antworten rund um eigene Frameworks.
So wird Wissen, das implizit in Jahren Softwareentwicklung gewachsen ist, systematisch zugänglich und produktiv nutzbar – auch über Team- und Standortgrenzen hinweg.
…und mehr
Aus dem Wissensmanagement kommen Methoden wie Working Out Loud. Nutzt den großen Fundus von Methoden von Wissensnetzwerkern.
Denkt auch teamübergreifend. Steht euer Team vor einer aktuellen technischen Herausforderung? Oft gibt es in der Organisation jemanden, der ein ähnliches Problem schon gelöst hat. Forscht in euren Netzwerken.
Implizites Wissen und Erfahrungen sind an Menschen gebunden.
Abteilungsübergreifende Wissensnetzwerke fördern den Wissensaustausch und sichern Wissen als erfolgskritischen Faktor im Unternehmen.
Agile Frameworks helfen beim individuellen Wissenserwerb und beim Wissensaustausch im Team.
Teamübergreifend nutzt man Methoden aus dem Wissensmanagement wie Communities of Practice / Communities of Interest oder Working Out Loud.
Alltäglich entsteht viel Wissen in Tickets und anderen Dokumenten. Retrieval Augmented Genration machen dieses Wissen effizient zugänglich.
Ein erheblicher Teil des Wissens steckt im Code. Ein eigenes Coding-LLM auf der Codebasis des Unternehmens macht diese Know-how systematisch nutzbar.